Reporter vor Ort

30 Jahre störte es keinen: Knöllchenflut für Anwohner in Bornich

1990 siedelten sich die ersten Bürger im Pfaffenthalsweg in Bornich an. Es entstand eine idyllische Neubausiedlung, so wie man sie in vielen kleinen und größeren Gemeinden kennt. Durchfahrtsverkehr? Gibt es nicht, da die Straße in einer Sackgasse mit einem Wendehammer endet. 30 Jahre lange durften die rund 16 Hausbesitzer ohne Probleme auf der Straße parken. Die Bürgersteige sind farblich rot abgesetzt zum schwarzen Fahrbahnbelag. Doch jetzt ist alles anders. Seit kurzem ist die Straße wie leergefegt. Autos stehen bestenfalls auf dem eigenen Grundstück oder am Rande der knapp über 1000 Seelen umfassenden Gemeinde. Seit vergangenen Jahr wurden die Anwohner plötzlich mit Park-Knöllchen über jeweils 55,00 EUR zur Kasse gebeten. Den Anwohnern soll es untersagt worden sein, auf der breiten Seite des Gehwegs zu halten oder zu parken. Grund wäre ein in den 90er Jahren erstellter Bebauungsplan, der nicht rechtskräftig geworden wäre. Den Ausbau der Straße mussten seinerzeit die Anwohner bezahlen. Sie verließen sich auf die Rechtsmäßigkeit der Baumaßnahmen. Weshalb die Straße nicht rechtskonform errichtet wurde, ist unklar. Dabei soll es sich um einen Formfehler gehandelt haben. Laut den Anwohnern, soll sich die jetzige Ortsbürgermeisterin geweigert haben, darüber Auskunft zu geben. Seinerzeit soll der Bebauungsplan genauso umgesetzt worden sein, wie er deklariert worden war, aber die Einzeichnung der kombinierten Gehwege und Parkstreifen erfolgte nicht. 30 Jahre lang störte das niemanden. Die Anwohner mussten davon ausgehen, dass sie dort parken dürfen. Laut der Ortsbürgermeisterin Karin Kristja ist dem jedoch nicht so. Sie sieht es auf Anfrage so, dass es einen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung darstellt und es lediglich keine Kontrollen seitens des Ordnungsamtes gab. Und genau diese würde es wahrscheinlich heute noch nicht geben, wenn das Ordnungsamt nicht offensiv mit der Kontrolle der Straße beauftragt worden wäre und diese dann durchführen muss. Den Anwohner gegenüber soll die Ortsbürgermeisterin geäußert haben, dass die mit einem Zollstock verwenden sollen, um die Durchfahrtsbreite der Straße zu bemessen. Laut der Ortsbürgermeisterin wäre diese Aussage falsch. Doch was bedeutet eigentlich widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge? Die Bürgersteige sind auf Höhe der Fahrbahndecke und lediglich farblich gekennzeichnet. Wir haben vor Ort den Test gemacht. Die Gesamtbreite ist über 8 Meter. Steht man mit einem Fahrzeug halb auf dem Bürgersteig, bleibt genügend Platz an der Seite für einen Rollstuhlfahrer oder auch eine Person mit Kinderwagen. Die Durchfahrtsbreite ist dann ebenfalls sehr gut ausreichend für Fahrzeuge aller Art. Selbst ein Sattelzug käme da problemlos vorbei, genauso wie Rettungsfahrzeuge. Das sieht die Bürgermeisterin auf Anfrage anders. Laut ihr könnte ein Rettungsfahrzeug trotz eines „widerrechtlich“ abgestellten Fahrzeugs die Straße nur passieren, wenn dieses über den abgegrenzten gegenüberliegenden Bürgersteig fahren würde. Im Test zeigte sich ebenfalls, dass auch Rollstuhlfahrer und Kinderwagen an einem Wagen vorbeikommen, ohne dass es Schwierigkeiten geben würde. Auch das sieht die Ortsbürgermeisterin anders. Parkverbotsschilder gibt es keine in der Straße und wird es wohl auch zukünftig nicht geben. Die Ortsbürgermeisterin verweist auf §12 der Straßenverkehrsordnung. Schilder und Markierungen auf den Fahrbahnen sollen es nach Ausführung der Ortsbürgermeisterin nicht geben. Somit auch keine kombinierten Geh- und Parkstreifen. Dabei könnte das so einfach sein, wenn man denn nur wollte. Vielleicht ist der Besuch des Pfaffenthalsweg eine Reise wert. Wer in die Straße fährt, glaubt eher an eine Spielstraße. Viel befahren ist der Weg nicht. Auf der Straße spielen die Kinder und zeichnen mit Kreide ihre Hüpfelder ein. Und der Gehweg? Den benutzt kaum jemand, auch wenn dieser für eine kombinierte einseitige Auto- und Fußgängerlösung durchaus breit genug wäre. Dadurch, dass die 230 Meter kurze Straße fast ausschließlich durch die wenigen Anwohner genutzt wird, fahren häufig über Stunden gar keine Autos in den Weg hinein. Einen Anwohner trifft es besonders hart. Er parkt mittlerweile sein Auto im Vorgarten. Dafür muss er quer auf die Straße manövrieren, damit er an einem von der Gemeinde aufgestellten Blumenbeet mit Steinumrandung vorbeikommt. Immer noch besser als 55 EUR zu bezahlen. Was war zuerst da? Huhn oder Ei? In dem Fall das Blumenbeet vor dem provisorischen Stellplatz, denn 30 Jahre konnte man einvernehmlich eine mutmaßlich mit einem Formfehler versehene Straße akzeptieren zum Wohle der Anwohner, die schließlich auch fast alleine die Straße nutzen. Vornehmlich Schildbürger würden gewaltsam eine dörfliche Kirche mit aller Gewalt versetzen. In Bornich jedoch geht es um den Vollzug einer Straßenverkehrsordnung in einer 1000 Seelengemeinde. Straßen wie den Pfaffenthalsweg gibt es zuhauf in zahlreichen Dörfern im RheinLahn-Kreis in sehr ähnlicher Größe und Beschaffenheit. Auf die Idee, ein Ordnungsamt mit dem Vollzug der Straßenverkehrsordnung zu beauftragen, kommen jedoch die Wenigsten. Im dörflichen Frieden funktioniert genau das, was nicht immer die Bürokratie hergibt: Im Sinne der Allgemeinheit bleibt die Kirche dort wo sie hingehört.

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